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Interview mit Manuel Sieben in der K-Zeitung

Kunststoffschweißen innovativ weiterdenken

Kunststoffschweißen innovativ weiterdenken - K-ZEITUNG (k-zeitung.de)

Manuel Sieben, Geschäftsführer der Polymerge GmbH, ist eher zufällig zum Kunststoffschweißen gekommen. Nach seinem Physik-Studium ging er zur Firma Hella, wo er sich mit dem Thema Infrarotschweißen im Rahmen seiner Diplomarbeit beschäftigte – woraus am Ende auch ein Patent entstand. Nach gut 1,5 Jahren zog es ihn weiter zu Bielomatik. Von dort führte Ihn die Reise nach China, wo er in der Nähe von Shenzhen ein Joint-Venture zusammen mit einem Ultraschallschweißmaschinen-Hersteller aufbaute. 2008 zog es ihn zurück in deutsche Gefilde zur LPKF AG. In insgesamt 11 Jahren verantwortete er dort unter anderem den Vertrieb für den asiatischen Raum. Als Leiter der Produktentwicklung war er sodann auch Mitglied der Geschäftsbereichsleitung. Der Drang „etwas Eigenes aufzubauen“, veranlasste ihn schlussendlich zu seiner Entscheidung. Foto: Polymerge
Im Interview spricht Polymerge-Geschäftsführer Manuel Sieben über die Anfänge, das Infrarotschweißen und Innovationspotenziale im Kunststoffschweißen.

Patentiertes Infrarotschweiß-Verfahren als Beispiel innovativer Lösungsansätze im Kunststoffschweißen: Die im oberbayerischen Geretsried beheimatete Polymerge GmbH ist zwar noch recht neu am Markt, kann dennoch bereits auf über 25 Jahre Erfahrung im Bereich komplexer Automatisierungstechnik im Umfeld des Kunststoffschweißens zurückgreifen. Aus der BF Maschinen GmbH hervorgegangen, will das Unternehmen sich noch stärker durch neue Verfahren für das Kunststoffschweißen hervorheben und dabei auch neue Marktfelder erschließen. Warum sich Polymerge dabei nicht als „klassischer“ Systemintegrator versteht, welche Rolle das jüngst zum Patent angemeldete Infrarotschweißverfahren dabei spielt und was das junge Unternehmen noch alles im Köcher hat, erklärt Manuel Sieben, Geschäftsführer der Polymerge GmbH.

Herr Sieben, der Name Polymerge lässt bereits vermuten in welchem industriellen Umfeld sie sich bewegen. Woher der Impuls etwas Eigenes, Neues aufzubauen?
Sieben: Einige Kunststoffschweißverfahren haben sich in den letzten Jahren kaum weiterentwickelt. Ich habe genau hier die Chance gesehen mit Innovationen, die dem Kunden einen deutlichen Mehrwert bieten, in den Markt einzutreten. Es sind einige Ideen für solche Produkte gereift. Ich habe damals gezielt nach einer Übernahmemöglichkeit gesucht, die es mir ermöglicht diese Produkte neben dem laufenden Geschäftsbetrieb in den Markt einzuführen. Die BF Maschinen GmbH bot bereits ein eingespieltes Team mit der notwendigen Infrastruktur und dem Know-how. In der Vergangenheit hat sich das Unternehmen sehr intensiv mit dem Bau von Anlagen zur Herstellung von Kunststoff-Kraftstofftanks beschäftigt. Bei solchen Projekten ist das Komplexe die Automatisierungstechnik. So müssen etwa unterschiedlich geformte Tanks  entsprechend gehandhabt werden. Der Schweißprozess als solches ist bei dieser Anwendung nicht komplex, aber sicherheitsrelevant. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Qualität und die Dokumentation des Schweißergebnisses. Im Rahmen einer Nachfolgeregelung ist aus der BF Maschinen GmbH dann die Polymerge GmbH entstanden.

Unser Ziel mit Polymerge war es von Anfang an, also parallel zum Übernahmezeitpunkt, neue Produkte einzuführen, die uns perspektivisch gesehen vom Verbrennungsmotor unabhängig machen. Basis dafür bildet ein solider Maschinenbau mit der Erfahrung im Bereich Automatisierungstechnik und dem Prozess-Know-how aus dem Kunststoffschweißen. Eine Mischung, die eher selten am Markt anzutreffen ist.

Schweißprozesse in der Wertschöpfungskette sinnvoll abbilden
Sie selbst bringen bereits einen umfangreichen Erfahrungsschatz aus dem Bereich der Kunststoffschweißtechnik mit. Eine Win-Win-Situation könnte man sagen…
Sieben: In zahlreichen Produkten müssen unterschiedliche Schweißprozesse in die Wertschöpfungskette sinnvoll integriert werden. So gesehen beispielsweise bei der Fertigung von Automobil-Interieur Teilen. Wir bieten eine breite Palette unterschiedlicher Schweißverfahren an, beraten verfahrensunabhängig und bündeln dabei für jedes unserer Projekte die Kompetenzen aus sämtlichen Unternehmensbereichen. Wir haben uns vorgenommen diese Brücke zu schlagen. Um hier aber sämtliche und am Markt vorhandene Schweißverfahren anbieten zu können, haben wir schlichtweg nicht die Unternehmensgröße.

Wir kooperieren daher beispielsweise bei der Integration von Ultraschall- oder Laserschweißoperationen mit namhaften Herstellern, die am Markt etabliert sind und ausgereifte Technologie anbieten. Polymerge bietet hierzu die Automatisierungstechnik, die projektspezifischen Schweißwerkzeuge und ist in der Lage, die Anlagentechnik an die Kundenerfordernisse anzupassen.

"Unser Ziel war es von Anfang an, neue Produkte einzuführen, die uns perspektivisch gesehen vom Verbrennungsmotor unabhängig machen"

Manuel Sieben
Sie fungieren also auch als System-Integrator?
Sieben: In diesem Fall ja. Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Kunststoffschweißen im Allgemeinen. Wir können Kunden also anders betreuen als es beispielsweise ein klassischer Integrator, der nur als Beiwerk den Kunststoffschweißprozess anbietet, tun könnte. Da sehen wir einfach unsere große Stärke. Wir können verkettete Anlagen anbieten, in denen dann unterschiedliche Schweißprozesse integriert werden können. Wir begleiten den Kunden von der Bauteilauslegung bis zur Inbetriebnahme der Anlage. Neben unserer Kernkompetenz, dem Schweißen, sind wir es gewohnt angrenzende Prozessschritte wie z.B. Dichtigkeitsprüfung oder auch Montageschritte mit anzubieten. Dies kann bis zur vollständigen Planung und Ausführung der Fertigungslinie als Generalunternehmer gehen.

Sind sie also überwiegend im Automotive-Bereich unterwegs?
Sieben: Die Automobil-Branche hält für uns sehr viele unterschiedliche Anwendungen und Anforderungsprofile bereit. Das Thema Kraftstoffspeicher und -leitungen wird in 10 oder 15 Jahren aller Voraussicht nach nicht mehr unsere Kerntätigkeit sein. Gerade im Bereich Interieur- und Exterieur-Anwendungen, also dort, wo komplexe Bauteil-Geometrien vorherrschen und es auf das Erscheinungsbild der Schweißnaht ankommt, sehen wir durch das, was wir gerade frisch auf den Markt bringen sehr viele Vorteile.

Außerhalb der Automobilindustrie beliefern wir die Medizinbranche, hauptsächlich mit Schweißmaschinen für Infusionsflaschen, wo wir auch weltweit vertreten sind. Perspektivisch wollen wir noch in der Elektronikbranche Fuß fassen. Hier sind viele Schweißprozesse notwendig, die mitunter sehr anspruchsvoll sind. Speziell für derartige Anwendungen führen wir gerade einen neuen und sehr wirtschaftlichen Anlagentyp in den Markt ein.

Den Mobilitätswandel als Chance begreifen
Die Automobilbranche war bereits vor der Coronakrise im Wandel begriffen. Das Thema E-Mobility hat gerade im vergangenen Jahr vielleicht den notwendigen Durchbruch erlebt. Ist das nun Fluch oder Segen?
Sieben: Der Wandel der Antriebstechnologie hat natürlich durch die Coronakrise nochmal an Fahrt aufgenommen und stellt die Branche vor neue Herausforderungen. Auf dem Automobilmarkt zeichnet sich hier gerade der Trend hin zu Plug-In-Hybriden ab. Perspektivisch gesehen, bietet das für uns Vorteile. Kraftstofftanks von Plug-In-Hybriden sind deutlich komplexer als der von konventionellen Verbrennern. So sind wesentlich mehr Schweiß- und Bearbeitungsoperationen notwendig. Hieraus erhoffen wir uns weitere positive Impulse, die zu einer Stabilisierung unseres Tankgeschäftes beitragen.

Die Corona-Pandemie hatten Sie sicherlich nicht auf dem Schirm, als Polymerge Anfang Februar den Geschäftsbetrieb aufnahm. Vor welchen Herausforderungen standen Sie damals? Wie hat sie das auch nachhaltig verändert?
Sieben: Als wir zum 1.2.2020 unseren Geschäftsbetrieb aufnahmen, hätten wir uns natürlich keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können. 3 Wochen später war an normales Arbeiten, wie wir es bisher kannten, nicht zu denken. Generell investieren wir bei Polymerge viel Zeit, um Prozesse intern aufeinander abzustimmen, Tools einzuführen und zu digitalisieren. Da ist sicherlich noch viel zu tun. Wir verstehen uns als Sondermaschinenbauer, darüber hinaus nutzen wir gerade jetzt die Zeit, um für Standard-Produkte zu entwickeln und zu etablieren. Das bedeutet ein vollständig anderes Vorgehen und erfordert auch ein gewisses Umdenken seitens unserer Mitarbeiter.

Als wir Anfang Februar den Geschäftsbetrieb übernahmen, begann auch die Pandemie das Investitionsverhalten unserer Kunden zu beeinträchtigen. Wir hatten keine Vollauslastung und standen vor der Entscheidung: Schicken wir Mitarbeiter in großem Maße in die Kurzarbeit oder investieren wir in die Entwicklung neuer Fertigungsverfahren? Für uns war es sinnvoller unsere Kapazitäten auf die Entwicklung neuer Verfahren hin zu konzentrieren, um mit diesen so früh wie möglich an den Markt zu gehen. Mit Erfolg.

Auf Erfahrung im Bereich Kunststoffschweißen zurückgreifen
Welche Verfahren wären das genau?
Sieben: Neben dem bereits vorgestellten Infrarotschweißen befindet sich ein neuartiger Ansatz zum Reibschweißverfahren am Ende der Entwicklungsphase. Mit diesem Verfahren wird es durch zirkulare Bewegungsabläufe möglich, auch nicht rotationssymmetrische Bauteile zu bearbeiten. Wir schlagen durch diese Technologie quasi die Brücke zwischen Ultraschall- und linearem Reibschweißen. Das Verfahren bietet sich vor allem dort an, wo elektronische Baugruppen gehaust werden sollen. Im Vergleich zum Ultraschallschweißen, wird auf das Bauteil eine deutlich geringere mechanische Belastung ausgeübt. Der Bewegungsablauf ermöglicht es uns sowohl Bewegungen wie auch Sensorik im Oberwerkzeug zu integrieren. Damit werden auch schwer zugängliche Bereiche schweißbar.  

Wir arbeiten aktuell an einem weiteren dritten Verfahren, dass sich noch in der Entwicklung befindet. Dieses werden wir im QIII 2021 offiziell vorstellen.

Infrarotschweiß-Verfahren zeigt Innovationspotenziale auf
Polymerge nimmt die Rolle als Innovationstreiber an: Das pantentierte Infrarotschweißen spielt seine Stärken aus, sobald großformatige dreidimensionale Bauteile gefügt werden sollen. Das Besondere sind hier die Keramik-Emitter, welche sich durch ein neues, mehrstufiges Verfahren, in nahezu beliebigen Geometrien drucken lassen. Eine spezielle Dotierung macht die Keramik elektrisch leitfähig. Foto: Polymerge
Werfen wir einen Blick auf ihr jüngst patentiertes Infrarotschweißen: Wo liegen hier die Vorteile gegenüber anderen Verfahren?
Sieben: Am Markt haben sich parallel zu Quarzglas-Strahlern auch Metallfolien-Emitter etabliert. Letztere haben den Vorteil, dass sie sich relativ gut an dreidimensionale Formen anpassen lassen, sind aufgrund ihrer Betriebstemperatur von 800 °C aber verhältnismäßig leistungsschwach. Von Nachteil ist, dass die Metall-Folie am Luftsauerstoff oxidiert.

Quarzglas-Strahler bringen im Vergleich dazu relativ viel Leistung auf das entsprechende Bauteil. Der Nachteil: das Glas muss immer auf die jeweilige Geometrie hin angepasst werden. Die Innenradien sind hier entsprechend beschränkt, was wiederum für 3D-Bauteile von Nachteil ist.

Das von uns patentierte Infrarotschweißen spielt seine Vorteile dann aus, wenn es sich um großformatige und/oder dreidimensionale Bauteile handelt. Gerade bei 3D-Bauteilen, bei denen andere Verfahren an ihre Grenzen stoßen, macht unser Ansatz Sinn.

Mit Hilfe eines noch recht neuen, mehrstufigen Verfahrens, ist es uns möglich, Keramik-Emitter in nahezu beliebigen Geometrien zu drucken. Durch eine spezielle Dotierung wird die Keramik elektrisch leitfähig und ermöglicht es uns diese elektrisch sehr schnell zu beheizen. Die Keramik selbst ist selbsttragend und muss an nur wenigen Stellen mechanisch angebunden werden. Auf Grund dieses speziellen Aufbaus des Strahlers, kann er nach oben und unten emittieren. Wir arbeiten aktuell in dem Temperaturbereich von 1.300 °C, sehen aber durchaus noch Reserven nach oben. Das eingesetzte Material oxidiert auch bei hohen Temperaturen nicht an der Luft. Wir benötigen also keine Schutzatmosphäre. Im Vergleich zu den bekannten Strahlertypen, ist die Leistungsabgabe um ein Vielfaches höher. Durch die hohe Leistungsfähigkeit können wir den Abstand zum Bauteil deutlich vergrößern. Anwendungsspezifisch arbeiten wir hier beispielsweise mit einem Bauteil-Emitter-Abstand von 20 mm - bei Metallfolien-Emittern sind es hingegen gut 3 mm. Hierdurch haben Bauteiltoleranzen einen deutlich kleineren Einfluss auf das Schweißergebnis.

"Mit Hilfe eines noch recht neuen, mehrstufigen Verfahrens, ist es uns möglich, Keramik-Emitter in nahezu beliebigen Geometrien zu drucken"

Manuel Sieben
Das spiegelt sich dann auch in den Zykluszeiten wider?
Sieben: Absolut. Bei Versuchen mit einem Polyamid konnte die Aufheizzeit – Maschinennebenzeiten nicht inkludiert – um den Faktor 3, im Vergleich zur Serienapplikation, reduziert werden. Konkret also nur 1/3 der Zeit im Vergleich zum Metallfolien-Emitter.

Wenn man den Werkstoff nun schneller bearbeitet bzw. das Schmelzebad in nur einem Drittel der bisherigen Zeit erzeugt, hat das Polyamid weniger Zeit zu oxidieren. Man kann somit nicht nur mehr Bauteile produzieren, sondern auch die Festigkeit steigt.

Das Verfahren ist auch bereits serienreif?
Sieben: Das Interesse ist groß. Aktuell durchlaufen wir mit mehreren Unternehmen die Qualifizierungsphase. Mit dabei sind beispielsweise auch zwei namhafter Automobilhersteller. Am Markt haben wir ein Stück weit den Nerv getroffen. Das Verfahren selbst ist serienfähig. Bis Mitte 2021 wollen wir die nötige Qualifizierung durchlaufen haben und auch entsprechende Serienprojekte vorweisen können.

Das Interview führte Dominik Bechlarz

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